Reaktion auf Trumpwahl
Der Futtertrog des Kapitalismus ist leergefressen.
Ich unterstelle den Amerikanern keine Dummheit. Das was wir in den USA in Frankreich, Ungarn oder hier in Deutschland mit der AFD erleben ist kein Resultat kollektiven Idiotismus. Ein arrogantes Schimpfen auf die Wähler der US Wahl wäre genauso infantil wie das Ergebnis an sich ist. Ich habe keine Antwort und kein bisher auch noch so bedachtes Resümee befriedigt mich in der Frage, wie das, was wir in den letzten 24 Stunden erlebt haben, zu erklären sei. Nur um eines bin ich mir sicher. Eine Erklärung kann sich nicht allein aus den Mitteln des Systems in den wir in der westlichen Welt leben, herleiten lassen. Der Missstand, ja die Kriese der wir hier begegnen, hat eine tiefere, kollektiv transzendale Dimension. Das Rechtspopulismus nachweislich hochgradig mit niedrigen Bildungstand korreliert, ist aus meiner Sicht kein ausreichendes Erklärungsmuster. Dummheit und Ignoranz mag eine Bedingung für rechtspopulistische Strömungen sein, aber sie ist nicht ihre Ursache. Die Menschen die Rechtspopulistisch wählen sind vorrangig verzweifelt, nicht dumm. Wir erleben eine politisch ausgelebte Verzweiflung die wir alle in uns tragen, die jeder von uns kennt. Sicherlich muss noch einiges dazukommen um dieser Verzweiflung jenen Freigang zu erlauben, eine persönliche politische Entscheidung der Art zu treffen, wie es in den USA gerade geschehen ist. Aber Ursache ist Verzweiflung – eine Verzweiflung die tiefer geht als sozialer Missstand oder Politikverdrossenheit . Es ist ein kollektives Gefühl der hilflosen Ohnmacht, des „Verloren sein“ und der seelischen Isolation.
Der Kapitalismus hat in den letzten 50 Jahren eine hochgradige Dynamik erlebt. In der Kraft seiner anfänglichen Entfaltung und dem Leben im zunehmenden materiellen Überfluss, hat er uns ein Angebot gemacht das mehr und mehr nicht mehr greift. Das Wachstums erlebt seine natürliche Sättigung und wir greifen zunehmens ins Leere beim Schlachtruf nach Aufbruch und Expansion. An der natürlichen Grenze eines materiell ausgelegten Wachstumsmodells, zerbricht auch ein kollektives Identifikationsmuster. Die wehenden Fahnen des Aufbruchs hängen schlaff und wir sind vollgefressen aber immer noch hungrig. Es ist der Tag nach der Big-Party.
Die Dummheit mag darin bestehen wir zu sehr geglaubt haben das der Beat noch ewig geht. So stehen die ersten im Morgengrauen vor dem DJ Pult und brüllen den DJ an: Trump, spiel noch einen! Ich selbst habe auch gefeiert in meinem Leben. Und wenn ich eines gelernt habe, dann, das ich den Tag nach der Party nicht allein verbringe, das ich eine Gruppe brauche, eine Zugehörigkeit, ein vertrautes WIR und eine Gewissheit das ich von etwas größerem getragen bin. Kollektiv gesehen glaube ich das wir die Anfänge einer post-party-depression erleben und jeder der sich nicht bei Drei einem anderen Bezugsystem zuordnet, fällt mächtig auf die Schnauze. In der Not frisst der Teufel fliegen. So schnappt man sich Hautfarbe, Staatsangehörigkeit oder sonst was um noch irgendwie dazu zugehören.
Eigentlich alles nicht so schlimm auch der Tag nach der Party ist irgendwie zu überwinden – wäre da bloß nicht dieser eine dumme Umstand. Leider haben wir auf einer Party getanzt, die nicht das kollektiv, die Zusammengehörigkeit, das „Verbunden sein“ zelebriert, sondern Konkurrenz und Individualismus. Der Kapitalismus als kulturelles Phänomen hat uns voneinander Isoliert und in einer Haltung stetiger Bewertung und konkurrierendem Denken zueinander